Wer kennt das nicht? Man sitzt im Kino, schaut einen Film und es kommt zu einer sehr emotionalen Situation. Als Zuschauer bekommt man Angst, ist aufgeregt, freut sich maßlos oder ist traurig, ja vielleicht kommen sogar Tränen. Ganz normal, oder? Filme, Musik, ein Buch oder Theaterstück können mitreißen und Emotionen hervorrufen – auch wenn die Situationen komplett fiktiv sind und anscheinend keinen Bezug zur eigenen Wirklichkeit haben.

Diesen Effekt nennt man Bleed. Die englische Wikipedia beschreibt Bleed als

den emotionalen Transfer zwischen Spieler*in und ihrem Charakter in einem Rollenspiel

https://en.wikipedia.org/wiki/Bleeding_(disambiguation)

Diese Definition stammt von der Game Designer Emily Care Boss. Übersetzt bedeutet das Wort „bluten“, aber auch im übertragenen Sinne, z.B. bei Tinte oder Audiosignalen, die man dort wahrnehmen kann, wo sie eigentlich nicht hinzugehören scheinen.

Bleed in – Bleed out

Unter Bleed versteht man also den gegenseitigen Austausch von Emotionen zwischen Spieler*innen und Rollen. Meistens wird dies beschrieben als das „Überschwappen von Emotionen aus der Spielfigur auf Spieler*innen“. Fühlt sich also meine Spielfigur in einer Situation nervös, ängstlich oder traurig so spüre ich dieses Gefühl vielleicht auch. Dieser Effekt wird auch als Bleed Out bezeichnet. 

Es gibt aber auch das umgekehrte Phänomen. Dieser als Bleed In bezeichnete Effekt tritt z.B. auf wenn ein:e Spieler:in albern, wütend oder traurig ist und die Spielfigur dies deshalb auch empfindet – unabhängig davon ob diese Gefühle in der Spielsituation angemessen sind oder nicht. 

Ist das denn normal?

Ja, das ist es. Viele Erfahrungen machen wir um emotional berührt zu werden, obwohl – oder gerade weil – die Erfahrung nicht „real“ ist. Sei es ein Film oder Buch, die uns emotional aufwühlen können, eine Achterbahn, auf der wir so etwas Ähnliches wie Todesangst empfinden, oder auch ein Spiel, bei dem wir Aufregung über komplett fiktionale Ereignisse, Entscheidungen und Konsequenzen empfinden.

Rollenspiele und besonders Liverollenspiele (auch Larps genannt) können auch Emotionen auslösen. Für den Körper und das Gehirn sind diese Emotionen erst einmal real und nicht von anderen Emotionen zu unterscheiden – egal ob der Auslöser real oder fiktiv war. Wenn ein Rollenspiel besonders lang und/oder intensiv war, dann können diese Gefühle auch noch nachwirken. Auch beim Film kann es sein, dass man die Gefühle noch eine zeitlang spürt, aber anders als bei primär zum Konsum gedachten Medien, hat man sie bei Rollenspielen (wortwörtlich) am eigenen Leibe erlebt.

Emotionen können nachhaltige Veränderungen im Verhalten fördern.

Links

Bleed: The Spillover Between Player and Character (NordicLarp.org)

Bleed (Nordic Larp Wiki)

Beitragsbild

Neil Morales (Flickr)

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